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Eine Episode in der S-Bahn

Es war Freitag nach dem Sport und freute mich auf das kommende Wochenende. Mit der S-Bahn hatte ich zwei Stationen zu fahren. Ich setzte mich auf einen Vierersitz auf den Platz zum Gang hin. Mir gegenüber saßen eine Frau und ein Mann die sich nicht kannten. Der Mann wird um die 50 Jahre gewesen sein. Neben mir ein kleines Mädchen, etwa 6 Jahre alt, das mit seinem Handy spielte. Es hielt sein Handy an das Ohr, sicherlich um etwas zu hören. Da bemerkte ich, dass das kleine Mädchen ein Hörgerät im Ohr hatte. Offensichtlich hörte es nichts, denn ich sah ihren enttäuschten Gesichtsausdruck.

Da ich (leider auch) Hörgeräteträger bin, sah ich genauer hin und bemerkte, dass die kleine rote Betriebslampe ihres Hörgerätes blinkte. Das heißt für mich: "Die Batterie ist fast leer". Da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schnell man den Kontakt mit seinen Mitmenschen verlieren kann, wenn man Hörprobleme hat und insbesondere wenn man so jung ist, wollte ich dem kleinen Mädchen Mut machen, tippte ihr auf die Schulter, zeigte ihr meine beiden Hörgeräte am Ohr und hob den Daumen etwa so in der Art: "Schön das wir Hörgeräte tragen, da können wir jetzt alles hören."

Leider reagierte das kleine Mädchen nicht. Ich sah nach der Frau gegenüber, die nicht so ganz uninteressiert der "Unterhaltung" folgte, aber sonst keine Reaktion zeigte. Also war sie nicht die Mutter.

Ich sah nach dem Mann gegenüber, der seit meinem Zustieg seine Zeitung las. Den Sprach ich ihn an, etwa so: "Hallo, die Lampe am Hörgerät ihrer Tochter blinkt, die Batterie muss ausgewechselt werden. Sie hört nicht mehr richtig."

Zur Unterstützung meiner Worte und für den Fall das er kein Deutsch versteht, deutete ich mit meinem Finger auf das Hörgerät seiner Tochter und klappte mit meinem Zeigefinger rhythmisch auf meinen Daumen um zu zeigen, dass die Lampe am Hörgerät blinkte. Der Mann sah mich verständnislos an. Das kam mir doch etwas komisch vor. Ich wiederholte dasselbe noch mal. Ah, jetzt endlich bewegt sich der Mann - ich nehme an, dass es der Vater ist - aus seiner bisherigen Haltung und nahm das Hörgerät seiner Tochter aus ihrem Ohr. Leider war es das falsche, das rechte Hörgerät. Dessen Lampe blinkte nicht, sondern leuchtete permanent. Er steckte dem kleinen Mädchen das Hörgerät wieder ins Ohr zurück und nahm das linke Hörgerät heraus und betrachtete die kleine rote Betriebslampe die immer noch blinkte.

Ich sagte: "Die Batterie ist alle, die muss ausgewechselt werden." Der Mann griff in seine Tasche holte ein Päckchen Batterien heraus. Man sollte erwarten, dass er das machte, was getan werden musste. Leider! Er steckte das Päckchen Batterien wieder ein und griff wieder nach seiner Zeitung.

Dann war es auch schon vorbei, nach zwei Stationen musste ich aussteigen. Einen Reim konnte ich mir nicht darauf machen, was hier geschehen war.

Doch ein gutes Nachspiel hatte das Erlebnis, jedenfalls für mich. Und aus diesem Grunde schreibe ich die kleine Geschichte: Als ich ausstieg, sah ich mich noch einmal um. Das kleine Mädchen, das so still und ergeben alles über sich ergehen ließ, winkte mir zum Abschied zu. Noch lange Zeit musste ich an das Erlebnis denken. Da ich selbst seit meinem vierzehnten Lebensjahr schwerhörig bin, weiß ich, wie ein kleines Kind mit Hörschaden aufwächst und seine Entwicklung von dem Verständnis der Eltern, der Schule und der Umwelt abhängt.