Ein Essay
Die meisten Menschen die solche Sätze das erste Mal lesen, fragen sich mit Sicherheit: Wie kann das sein? Ich gehe doch mit
meinen Mitmenschen arbeiten, ich esse und unterhalte mich jeden Tag mit ihnen. Ich wachse mit Menschen auf und eines Tages
werden sie sterben genauso wie ich. Wer stellt solche Behauptungen auf?
Ganz klar: Wir Menschen haben uns unsere Kultur, unser
Zusammenleben und unsere Kommunikation gemeinsam geschaffen. Wir sind voneinander Abhängig. Ohne unsere Mitmenschen würden wir
gar nicht existieren.
In der Mathematik zum Beispiel steht und fällt jede Schlussfolgerung in Abhängigkeit ihres Beweises,
sieht man von den bekannten Axiomen ab. Ein logischer Schritt baut auf den vorhergehenden auf. Fällt der erste, ist auch der
zweite hinfällig usw. bis hinauf zur Lösung.
Mit anderen Worten: Unsere Existenz würde wie ein Kartenhaus zusammenfallen, wenn
wir keine Möglichkeit mehr hätten, unser Leben auf beweisbare Grundlagen zu stellen. Wir kommunizieren regelmäßig mittels
unserer Sinnesorgane mit anderen Menschen und beweisen uns damit gegenseitig unsere Existenz.
Bei näherer Betrachtung und
ergibt sich ein differenziertes Bild, bezüglich des Vorhandenseins andere Individuen.
Ein Beispiel wird uns helfen, die These
des Solipsismus zu verstehen:
Wir alle haben schon mindestens einmal geträumt und dabei bestimmt nicht daran gedacht, dass wir
schlafen. Eine bestimmte Sequenz wird geträumt, eine gelebte Handlung unserer Wirklichkeit wird wiedergegeben.
Auf der anderen
Seite haben wir im Wachzustand laufend Erlebnisse, von denen wir gewiss nicht sagen, dass wir gerade träumen.
Beides,
Wachzustand und Traum erleben wir getrennt. Können wir aber Objektiv sagen, träumen wir gerade, oder sind wir jetzt im
Wachzustand? Sind unsere Träume in Wahrheit Realitäten oder die Realitäten in Wahrheit unsere Träume? Da ist er schon, der
erste Widerspruch. Sind wir allein außerhalb der Realität, oder sind andere Menschen nur Vorstellungen oder Träume in unserer
Einbildung? Beweisen können wir das nicht, da wir dazu nur unsere subjektiven Wahrnehmungen benutzen können. Es gibt keine
objektive Instanz die uns erklärt, dass noch andere Individuen existieren.
Wenn große Denker wie Wittgenstein oder Russel sich
damit in ihren Schriften auseinandersetzen, dann muss diese These ernst genommen werden.
Kritik:
Sie kommt natürlich in erster
Linie aus dem eigenen Lager, der Philosophie.
Dazu gehören unter anderem, Sartre und Camus. Auch von Wittgenstein selbst, der
sich kritisch mit der These des Solipsismus beschäftigt hat, ohne Stellung zu
beziehen, kann man nicht behaupten, dass er ein Anhänger dieser Lehre ist.
(Hierzu ist viel geschrieben, aber nichts ist schlüssig beurteilt worden.)
Kritik am Solipsismus in vielfältiger Art,
gibt es auch außerhalb der theoretischen Phiosphie: Im Alltagsdenken.
- So kann ich für mich behaupten: "So etwas Schönes
wie z.B. die Musik von Bach kann ich nicht selbst komponieren. Sie muss jemand anders geschrieben haben. Folglich bin ich
nicht allein im Universum."
- Löst der Solipsismus irgendein Problem? Unter Menschen so wie du und ich, dürfte der Standpunkt
keine Anhänger gewinnen können. Er löst keine Probleme, sondern er schafft welche.
- Derjenige hat es einfacher, der an eine
objektive Wirklichkeit glaubt, statt an eine geträumte objektive Wirklichkeit. Warum soll er umständlich an eine geträumte
Wirklichkeit glauben, wo er doch eine objektive Wirklichkeit erlebt, die er gerade doch durch sein Bekenntnis zum Solipsismus
in Frage stellt?
-
Stillschweigend gehen alle Kritiker und Befürworter des Solipsismus von dem
Bewusstsein eines erwachsenen Menschen aus. Gehen wir an den Anfang des
Menschwerdens zurück, gilt: Zur Geburt eines
Menschen ist notwendigerweise ein (weibliches) Individuum notwendig. Ergo kann
man die Existenz zu mindestens eines anderen Menschen nicht verleugnen. Oder
bilde ich mir meine eigene Geburt selbst ein?
- Ein Baby kann ohne Mutter nicht alleine leben. Ist diese Mutter nun real oder nicht?
- Zuletzt kann ich auch etwas dazu beitragen: Wenn Sie dieses Essay lesen, dann nicht, weil ich es
geschrieben habe, sondern weil sie sich einbilden, sie sei etwas von Ihnen unabhängig Existierendes, während sie in Wahrheit
nur ein Produkt ihres Bewusstseins darstellt.
Solipsismus heute:
Er lässt sich weder beweisen noch wiederlegen. Das Problem des Solipsismus ist nicht, ob er wahr ist – alle stimmen darin überein, dass es nicht der Fall ist -, sondern vielmehr ob wir beweisen können, dass er falsch ist.
Er wurde auch nicht offiziell beiseitegelegt, sondern verschwand einfach aus der Diskussion, möglicherweise weil er nicht mehr
zeitgemäß war - ähnlich wie alle anderen Gottesbeweise. Es ist wohl falsch, wenn man glaubt, dass da irgendwer oder
irgendeine Organisation einfach etwas beiseitelegen kann.