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Prolog

Wir schreiben den 22. Januar 1536. An diesen Tag wird in Münster das Reich der Täufer, das etwas mehr als zwei Jahre andauerte, auf grausame Art beendet.

Jan van Leiden, Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling, die Anführer der selbsternannten Wiedertäufer, wollten die Stadt Münster aus ihrer Überzeugung nach zu einem neuen Gottesstaat umwandeln.

Um Mitglied dieser Gemeinschaft zu werden, soll sich jeder Erwachsene noch einmal taufen lassen, somit seinen Glauben zu bekräftigen um nach dem Tod ins Paradies zu kommen. Denn nach ihrer Auffassung steht das Ende der Welt, die Apokalypse bevor. Hungerkatastrophen und die Pest waren da nur Vorboten. Rettung verspricht nur die tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden.

Eigentlich eine harmlose Sache. Wenn jedoch eine ganze Stadt unter der Brutalität und Fanatismus zu leiden hatte, wurde es zu einer ernsten Angelegenheit. Damals, bei den Ratswahlen im Jahre 1534 gewannen die Täufer aus den Niederlanden die Mehrheit und konnten so ihre radikal-reformatorische Überzeugung in politische Realität umsetzen.

Das Ende des Täuferreichs von Münster wird durch einen schlichten Verrat besiegelt. Zwei Bürger, Heinrich von Geesbeck und "Hänschen", laufen heimlich ins Lager des Bischofs Franz von Waldeck über und verraten eine Schwachstelle in der Stadtmauer. In der Nacht Juni dringt das bischöfliche Belagerungsheer in die Stadt ein und erschlägt eine große Zahl Täufer.

Der Bischof verkündet das Aus der Schreckensherrschaft des Täuferreiches und bestraft die drei Anführer der Wiedertäufer auf grausame Weise: Jan van Leiden wird mit glühenden Zangen zu Tode gefoltert. Die beiden Anführer Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling mussten den schrecklichen Vorgang mitansehen und starben danach denselben grausamen Tod.

Ihre Leichen wurden in 3 Käfige gesperrt und ganz oben an den Turm der Lambertini - Kirche gehievt. Dort sollten sie für immer hängen, als ewige Abschreckung für jeden Bürger, auf das er nicht auf gleiche Ideen komme.



Kapitel 1

Indem Roman einen Tatort besichtigt.

Am Freitag den 15. August 1542 hämmerte jemand an der Wohnungstür von Roman. Es war gerade mal sieben Uhr und er war noch müde vom Vortag.

Die ganze Stadt war auf den Beinen gewesen und man hatte ausgiebig gefeiert. Der Grund war der Einbau der Astronomischen Uhr im Chorumgang im St. Paulus Dom, deren Vorausberechnungen bis ins Jahr 2071 reichen sollte. Jedenfalls behauptete es sein Erbauer, der Buchdrucker und Mathematiker Dietrich Tzwyvel. Eine technische Neuheit, an die niemand so recht glauben wollte, zumal sich der Zeiger der Sonnenuhr nach links dreht.

Der Scharwachtmeister dem die Nachtwache aufgetragen war, stand vor der Tür und erzählte Roman einen Vorfall im Hause des Heinrich Gresbeck im Ueberwasser-Kirchspiel gelegen. Dieser liege in seinem Blute und wurde in der letzten Nacht zu Tode gestochen. Dem müden Gewaltmeister blieb nichts anderes übrig, als der dringenden Bitte Folge zu leisten.

Während er sich auf den Weg machte, dachte er zum wiederholten Male über seine Tätigkeit nach, die er gerade ausübte. Er war so eine Art Befehlshaber über sechs vereidete Rottmeister, die von dem Magistrat der Stadt Münster bestellt wurden, um die innere und äußere Sicherheit dieser Stadt zu gewährleisten. Er, Roman der Gewaltmeister, war zur "Aufbietung der Laienschaften in eintretenden Nothfällen, sowie zur Verhaftung der Verbrecher ermächtigt und jeder Bürger zu sofortiger Folgeleistung seiner Amtshandlung verpflichtet." Das bedeutete aber auch, dass er Polizeiarbeit leisten musste.

Roman kam an der Lambertikirche am Prinzipalmarkt vorbei und schaute gewohnheitsgemäß nach oben zu den drei eisernen Körben mit den menschlichen Überresten und hoffte, wenn die 600 Kilogramm schweren Eisengrüsten jemals herunterfallen würden, dass er gerade nicht darunter stehen würde.

Er fragte sich zum hundertsten Male, warum die drei Anführer der Wiedertäufer, Bernard Krechting, Bernd Knipperdolling und Jan van Leiden, auch "König des Täuferreichs von Münster" genannt, am 23. Januar 1536 einen so schrecklichen Tod erleiden mussten, anstatt diese einfach einen Kopf kürzer zu machen. Angeblich zur Warnung und Abschreckung für alle Geister der Gegenwart und der Zukunft. "Nach kriminalistischen Gesichtspunkten sind solche Ideen eher Wunschdenken", dachte Roman.

Welche Personen sich auch immer diese grausamen Foltermethoden und Todesarten ausgedacht haben, für die Frauen der Aufständigen waren gnädigere Hinrichtungen vorgesehen: Königin Divara von Harlem, die Frau des Königs der Wiedertäufer, sowie auch Knipperdollings Frau und drei weitere Damen des Hofstaates wurden auf dem Domplatz enthauptet.

Dabei fielen ihm wieder die 4 Verse ein, die der König der Wiedertäufer jedes Jahr zu seinem Todestag um Mitternacht vom Turm der Kirche betete:

"Der Wiedertäufer Stab trug ich in hohen Armen;
Jtzt trägt ein hoher Thurm in einem Käfig mich.
Das Brod versagte ich dem Nächsten ohn Erbarmen;
Jtzt nährt von meinem Fleisch ein schwarzer Vogel sich.
Durch Schande und durch Mord bahn't ich den Weg zum Throne;
War folglich ein Tyran, ein ächter König nicht.
Du aber, grosser Gott, Erbarmer, mich verschone,
Verzeih, Verstoß mich nicht von deinem Angesicht."


Am Lamberts-Kirchhof zwischen dem Gerichtsplatz liegt das Rathaus, das, auf runden Säulen ruhend, mit verschiedenen Bildern verziert ist. Daneben hat man Bildsäulen geflügelter Engel aus Marmor hingestellt. Heute, am Freitag, wird sich gewohnheitsgemäß der ganze Rat der Stadt Münster in der Ratsstube versammeln, um die Zukunft der Stadt Münster nach der Zerschlagung der Wiedertäufer zu diskutieren. Mittlerweile waren schon 6 Jahre vergangen und es gab gewiss andere dringendere Themen als die der Wiedertäufer. Die Freitagsbesprechungen waren schon sozusagen rituell.

Roman lenkte seine Schritte vorbei am Schandpfahl - Brunnen in die Ludgeristraße und weiter westlich in Richtung zum Ueberwasser-Kirchspiel. Ihr Name leitet sich von "Über dem Wasser" ab, da sie westlich des St.-Paulus-Doms auf der gegenüberliegenden Seite der Aa liegt. Dabei musste er diesen Fluss überqueren was zu dieser Jahreszeit wahrlich kein Vergnügen war. Das Wasser des kleinen Flusses stank fürchterlich. Die meisten Straßen waren abschüssig gehalten, damit der Regen die Abfälle und den Unrat in den Rinnen und Flößen die in der Mitte der Gassen gemacht waren, in die nahe gelegene Aa spülen konnte. Es stank, weil vorgestern etwas Wasser vom Himmel fiel. Nicht viel, aber immerhin reichte es, damit der Boden aufgeweicht wurde und der faulende Müll seinen üblen Geruch noch stärker verbreiten konnte.

Der Markt wurde gerader eröffnet. Stände mit Gemüse und Obst wurden aufgebaut. Eine Verkäuferin die ihn kannte, bot ihm einen Apfel an, den er dankbar annahm. Man hörte Hühner und andere Kleintiere ungeduldig in ihren Käfigen rumoren. Gottseidank wussten sie nicht, was auf sie zukam.

Schließlich erreichte Roman die Überwasser-Kirche mit ihrer Turmhaube, die als ihr Wahrzeichen galt. Das Haus von Heinrich Gresbeck im Ueberwasser-Kirchspiel am Eingang zum Honekamp lag unmittelbar daneben. Ein uniformierter Kollege stand vor der Tür und grinste den Gewaltmeister unverschämt ausgeschlafen an. Dieser erwiderte den Morgengruß mit einem schiefen Lächeln und betrat die Räumlichkeiten. Das Haus hatte vier Zimmer auf Erdgeschoss und erste Etage verteilt. Er ging den Stimmen nach bis in die Küche und sah zwei Personen um eine männliche Leiche herumstehen, die ihr Gespräch unterbrachen, als Roman eintrat.

"Na, was haben wir?"

"Mord und Blut", antwortete Melchior.

Roman dem Melchior als städtischer Arzt von Münster bekannt war, beugte sich über die Leiche.

Eine lange Hose und leichte Lederschuhe waren das einzige womit der Mann bekleidet war.

"Was ist das?", er zeigte auf die Brust des Toten, die aus einer einzigen blutigen Öffnung bestand.

"Das ist ein Brustkorb ohne Herz, man hat ihm das Organ entfernt. Er hat dabei ziemlich viel Blut verloren wie sie sehen." Melchior deutet mit der Hand auf den Boden.

Erst jetzt bemerkte Roman, dass er in einer Blutlache stand.

"Hat er noch gelebt, als ihm das Herz entfernt wurde?"

Melchior zuckte mit den Schultern. "Wahrscheinlich, sonst würde hier nicht so viel Blut liegen."

Roman begriff erst jetzt so richtig, wie der Mord sich abgespielt haben könnte. "Wie hat man dem Opfer das Herz entfernt? Da liegen doch Rippen und Knochen über dem Herz. So einfach geht das doch nicht."

Der Amtsarzt sah Roman an. "So genau wollen sie es bestimmt nicht wissen. Soviel kann ich ihnen sagen: es gibt noch andere Werkzeuge wie Messer. Ich gehe dann mal, lassen sie die Leiche ins Schauhaus bringen, ich sehe sie mir näher an. Morgen weiß ich mehr." Damit verließ Melchior den Tatort.

"Wer sind sie denn? Kennen sie den Mann?", fragte Roman die andere Person die sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte.

"Ich bin Gallus Meyer, des Bürgermeisters rechte Hand. Er hat mich persönlich herbeordert, als er von dieser Leiche erfahren hatte. Das ist Heinrich Gresbeck persönlich. Er dürfte ihnen auch bekannt sein."

Heinrich Gresbeck, jedes Kind von Münster kannte die Geschichte. Ein mehr oder weniger ehrbarer Bürger von Münster, seines Zeichen ein Schreiner von Beruf. Mit den Führern und Häupter der Wiedertäufer scheint er in keiner engeren Verbindung gestanden zu haben. Er gehörte allenfalls zum großen Haufen und begnügte sich mit der untergeordneten Rolle eines mehr oder weniger politisch aktiven Bürgers.

Womit er sich aber für die Stadt verdient gemacht hatte, war sein mutiges Verhalten der herrschenden Wiedertäufer gegenüber. In der Nacht des 23. Mai 1535 hatte Heinrich, der zu dieser Zeit als Landknecht in den Diensten stand, die Nase voll von den selbsternannten "Königen der letzten Tagen" und die neue "Ordnung des weltlichen Regiments in der Stadt Münster". Sie war in seinen Augen mehr Phantasterei, als die Errichtung eines neuen Jerusalems. Deshalb floh er über die Mauern zu den Belagerern, die Münster von ihrem Joch befreien wollten.

Die Knechte des Grafen von Wladeck und des Bischofes von Osenbrugk und Minden auch Gelderisches Blockhaus genannt, , steckten ihn erst einmal ins Gefängnis zu Wolbeck, bis er dem Chur-Kölnischen Kriegsrat, Graf Ruprecht von Manderscheit eine Möglichkeit eröffnete, wie man ohne besondere Schwierigkeiten Gräben, Wälle und Schanzen zur Nachtzeit überwinden und in die Stadt eindringen könnte. Dies geschah auch am 24. Juni 1535. Als Dank für seine geleistet Dienste wurde dem Heinrich Gresbeck das Haus seiner Mutter zum Kauf angeboten. Anfang 1542 überließ man ihm dann die restlichen Schulden.

Romans Gedanken kehrten wieder in die Gegenwart zurück. "Leider hat er nicht mehr viel von seinem neuen Besitz gehabt.", dachte er. Damit war er schon beim Motiv. Wer könnte Interesse daran haben, Heinrich Gresbeck zu ermorden und noch auf so eine grausame Art?

Er besah sich noch einmal das, was von Heinrich Gresbeck übrig geblieben war. "Ein Racheakt, die Tat eines Perversen oder ein politischer Mord?", fragte er Gallus Meyer.

Dieser sah Roman durchdringend an. "Das liegt nicht in ihrer Zuständigkeit. Liefern sie uns lediglich schnell den Täter, alles andere machen wir." Mit "wir" meinte Gallus wohl den Bürgermeister und den Rat der Stadt. "Wir bleiben in Verbindung und informieren sie mich sofort, wenn es etwas Neues in der Sache gibt." Damit verließ Meyer den Tatort.

Sinnend sah Roman der Gestalt nach, die durch die Tür ging. "Er wollte mir gerade einen Maulkorb anlegen"

Er wollte noch das Haus nach Hinweisen oder Spuren untersuchen, bevor er ging. Der Mann hatte eine beachtliche Buchsammlung für seinen Berufsstand als Schreiner. Er musste viel gelesen haben. Roman las einige Titel:

"historia der belegerung vnd eroberung der Statt Münster Anno 1535. Getruckt 17. Juli"

"Von der heiligen Tauffe: predigten D. Mart. Luth.: Wittemberg MDXXXXV."

"Haußapotheck zu yeden laibs gebresten: für den gemainen mann unnd das arm Landtvolck. Brunschwing, Hieronymos 1541."

Dazu noch einige Druckblätter aus Münster u.a. eine Schrift über die "Zuchtordnung von Münster" Mit dem Titelblatt V.D.M.I.E "Verbum Domini Manet In Eternum."

"Der gantze handel vnd geschicht von der stat Münster in Westphalen gelegen wie es ergangen ist in kurtzen Summa beriffen. Gedrückt durch Hans Guldenwundt 1535." Letztere Ausgabe ist offensichtlich die Geschichte der Stadt Münster aus der Sicht eines Bürgers nach der Niederschlagung der Wiedertäufer.

Roman brach die Suche nach einem Hinweis zu einer Verbindung zum Tode von Heinrich Gresbeck ab. Kein außergewöhnlicher Gegenstand, keine schriftlichen Notizen. Nichts. Der Mann hatte allem Anschein nach wie ein normaler unauffälliger Bürger gelebt. Das einzige Außergewöhnliche an ihm war der Umstand seines Todes. Roman seufzte. Es sah nach viel Arbeit aus.



Kapitel 2

Indem Roman ein Mordmotiv sucht und sich mit dem Klerus anlegt.

Mittlerweile war es fast Mittag. Die Sonne stand fast Senkrecht und der gewohnte Gestank der Abfälle und Fäkalien von Münster wurde intensiver. Roman fragte sich auch hier wieder, warum es die Deutschen Städte bisher nicht fertig gebracht hatten, so etwas wie die "Cloaca Maxima" zu bauen wie es im antiken Rom unter dem König Taquinius Priscus möglich war.

Er wollte in Richtung St.-Paulus Dom und kam wieder am Prinzipalmarkt eigentlich "De Marckede" genannt, vorbei, der jetzt seinen Betrieb voll eröffnet hatte. Zu dem permanenten üblen Geruch der über der Stadt lag, kam noch eine Mischung aus Tierausdünstungen, Rauch von offenem Feuer und frisch gebratenen Fleisch und Fisch dazu. Das Sommerliche Wetter tat sein Übriges. Der Lärm den der Marktberieb verbreitete war nicht zu überhören. Hühner gackerten, Schweine grunzten und Stimmen vom Marktschreiern und Kaufleuten war überall zu hören.

Er lief durch die Zwölfmännergasse durch und erreichte die Viertenhalben - Stegge eine Seitenstraße der Ludgeristraße und passierte die Dummengasse, Ecke Harsewinkelgasse. Nach dem er den Michaelisplatz durchgelaufen war, der eigentlich kein Platz, sondern als ein schmales Gäßchen gebaut war, hatte er sein Ziel, den Domplatz, erreicht.

Er schritt durch einen Nebeneingang des Domes und sofort war er in einer anderen Welt. Es war kühl und still. Sogar der Gestank blieb außen vor. An den Wänden waren Öllampen angebracht, die ein angenehmes Licht verbreiteten. Er war in der Vorhalle der Bischofskirche, dem sogenannten Paradies oder "Porta coeli", die Pforte des Himmels. Selbst die Zerstörungswut der "Wiedertäufer" konnte dem Bau, der immerhin vierzig Jahre bis seiner 1. Fertigstellung gebraucht hatte, nicht viel anhaben. Zurzeit wurden die Skulpturen von Johann Brabender dem Sohn von Heinrich Brabender, als Ersatz für die zerstörten Werke seines Vaters plaziert. Ludger und Herrman tom Ring malten den Dom neu aus. Der Dom brauchte noch lange Zeit bis zu seiner Vollendung.

Roman fragte nach Franz vom Waldeck dem Bischof der Diözese, nachdem er sich als Polizist ausgewiesen hatte. Ein Bediensteter der Domkirche begleitete ihn durch die Sakristei in den Kapitelsaal. Es ging durch den Domherrenfriedhof in den Bischöflichen Gartensaal. Ein schönes Stück Grün mitten im Domgelände. Der Bedienstet sagte zu Roman: "Sie haben den Bischof mit eure Eminenz anzureden."

Dann bat er ihn zu warten und begab sich zu einer vornehmen Gestalt in einem kirchlichen Gewand, die langsam betend durch die Wege des Gartens ging und sprach einige Worte, wobei er auf Roman deutete. Der Mann nickte und winkte Roman kurz zu. Offensichtlich war es der Bischof gewohnt, dass die Menschen um ihn herum seinen Anweisungen Folge leisteten. Roman blieb nichts anderes übrig als auf die imposante Gestalt zuzugehen. Dieser überragte Roman um eine Haupteslänge. Er war etwas füllig. Dazu passten sein langes Haupthaar und sein Bart. Seine Bischofsmütze hatte er abgelegt. Er sollte angeblich den weltlichen Genüssen nicht abgeneigt sein. Man munkelte über eine Anna Polmann, die ihm bis jetzt fünf Kinder geschenkt haben soll.

In der Hauptsache jedoch hatte der Bischofsfürst sein jetziger Status seinem organisatorischem Talent und seiner politischen und religiösen Gefolgschaft zu verdanken. Am 5. August 1541 hatte der von Waldeck mit der Stadt Münster einen sogenannten Restitutions-Receff abgeschlossen ohne sich mit dem Domkapitel und der Ritterschaft zu beraten. Darin wurde dem Rat von Münster das Recht eingeräumt, die durch Todesfälle oder natürlichen Abgang freigewordene Stellen der Stadtbediensteten nach eigener Wahl zu besetzten, nur das die Erwählten dem Fürsten zur Bestätigung vorgestellt werden müssen. Mit anderen Worten: Der Fürst hatte die Kontrolle über die Stadt Münster.

Er blickte Roman freundlich und reserviert an.

"Ich bin Roman, der Gewaltmeister der Stadt Münster und möchte euch in einer gewissen Angelegenheit sprechen."

"Da bin ich aber neugierig, was die Stadt von mir will. Seit der Niederschlagung der Wiedertäufer hatte ich keinen direkten Kontakt mehr mit der Verwaltung. Also was verschafft mir die Ehre?". Er sprach es so aus, als wollte er Roman einen Gefallen tun.

"Nur eine Auskunft, eure Eminenz, die nicht mit der Kirche in Zusammenhang steht. Eher steht der weltliche Aspekt im Vordergrund." Roman konnte sich den Nebensatz nicht verkneifen: "Bis jetzt jedenfalls scheint es so."

Franz von Waldeck verzog keine Miene. Er wusste genau, was Roman meinte und Roman wusste das der Bischof wusste, was Roman damit sagen wollte.

"Ja, dann kommen sie zur Sache". Der Bischof sah sich um, als erwartete er jemand, was wohl bedeuten sollte, er, Roman, möge sich kurz fassen.

Dieser begann auch sofort. "Euer Eminenz, ihr kennt Heinrich Gresbeck, den Schreiner?"

Der Bischof überlegte einen Moment, dann lächelte er. "Oh ja, ich habe ihn während der Zeit der Niederschlagung der Wiedertäufer kennen gelernt. Er hat der Stadt Münster einen großen Dienst erwiesen und bei der Eroberung eine entscheidende Rolle gespielt. Er hat die Schwachstellen der Stadt Münster an die Belagerer verraten. Wir wissen ja wie das dann ausging." Allerdings war da noch ein gewisses Hänschen im Spiel.

Des Bischofs wurde neugierig. "Wieso, was ist mit ihm?"

"Er ist Tod, eure Eminenz. Er ist keines natürlichen Todes gestorben. Erspart mir die Einzelheiten. Ich bin gekommen, damit ihr mir etwas über Gresbeck erzählt. Jeder Hinweis kann helfen. Zurzeit tappen wir im Dunkeln."

Der Bischof geriet sichtlich aus der Fassung. "Tod? Man hat nachgeholfen? Wann ist das denn passiert? Warum sind sie hier?"

Roman machte eine beruhigende Geste. "Ja, eure Eminenz, man hat ihn vom Leben in den Tod befördert. Wir wissen noch nichts Genaues. Können eure Eminenz etwas über Heinrich Gresbeck erzählen? Mir ist als Bürger von Münster nur das geläufig was alle wissen. Ihr hattet 1534 das Amt des Bischofs von Münster, Osenbrugk und Minden inne, hattet aber euer Quartier nach Telgte verlegt um die Einschließung von Münster zu organisieren. Die Niederschlagung der Wiedertäufer außerhalb von Münster wurde von euch befehligt, nachdem Gresbeck die Schwachstellen der Münsterischen Abwehr, dem Chur-Kölnischen Kreigsrat, Graf Ruprecht von Mandescheid, verraten hat."

Der Bischof erinnerte sich. "Ja das stimmt und es hat zum Erfolg geführt, wie man weiß. Dieser Gresbeck selbst war 1530 Landsknecht und hatte zum Teil außerhalb von Münster gelebt. Danach, als die Wiedertäufer die Oberhand bekamen, stand er im Dienst einer vornehmen Familie in der Nachbarschaft von Münster. Er nahm Urlaub um seine Mutter hier in Münster zu besuchen und blieb dann bei ihr. Als es ganz schlimm mit dem Regierungsstil der Wiedertäufer wurde und auch der Durst und Hunger sich allgemein verbreitete, verließ Heinrich in der Nacht zum 23. Mai 1534 seinen Standort am Kreuzthor und kam unbemerkt über den Wall ins Lager des Gelderischen Blockhauses. Dort ging er erst mal in Gefangenschaft, konnte aber, wie sie schon sagten, dem Grafen Ruprecht von Mandscheid verraten, wie man ohne besondere Schwierigkeiten Gräben, Wälle und Schanzen zur Nachtzeit heimlich übersteigt und in die Stadt Münster eindringen kann.

Den Rest machten ein paar Hundert der Landsknechte des Gelderischen Blockhauses und die Wiedertäufer wurden allesamt gefasst oder getötet. Deren Anführer hingerichtet. Die Stadt war danach frei."

Der Bischof hatte eine lange Rede gehalten. Roman wusste schon das meiste davon. Es brachte ihn aber nicht weiter, was er gerade hörte. Er musste nochmal nachhaken. "Hatte er Feinde? Ist er jemand in die Quere gekommen?"

Nicht das ich wüsste, ich hatte auch gar keinen Kontakt mehr zu ihm." Der Bischof machte eine kurze Pause. Falls sie noch etwas wissen möchten, wenden sie sich an meinen Sekretär." Damit verabschiedete sich Franz von Waldeck. Er ließ Roman einfach stehen und lief wieder in Richtung Garten.

Während Roman dem Ausgang des Domes zulief, überlegte er, wieso der Bischof gar nicht gefragt hatte, unter welchen Umständen Heinrich von Gresbeck ums Leben gekommen war.

Roman lief wieder zurück über den Domplatz durch Michaelisplatz bis zum Prinzipalmarkt. Der Marktbetrieb dort war noch im vollen Gang. Er erwarb von einem der Hockeweiber ein Stück Brot und etwas Käse und lenkte seine Schritte vorbei am Stadtweinhaus zum Rathaus. Die Wiedertäufer hatten während ihrer Zeit diesen Bau als Machtzentrum benutzt und ihn so Im Original belassen wie er ursprünglich gebaut war. Allerdings war irgendjemand auf die Idee gekommen, alle Dokumente im Archiv zu vernichten. Der sinnlosen Zerstörungswut waren nicht nur Bauzeichnungen des Rathauses, sondern auch Teile der Stadtchronik von Münster zum Opfer gefallen. Roman betrat die Scharwache im Erdgeschoss, begrüßte den wachhabenden Rottmeister und ging in das angrenzende Wachthaus, wo er und ein weiterer Rottmeister ein kleines Büro hatten. Beide begrüßten sich. Roman nahm an seinem Tisch Platz und seufzte.

Der Kollege Til Platschulte grinste "Nicht viel los. Zwei Überfälle mit Raub heute Nacht, vier Betrunkene die randalierten, zwei davon sind jetzt in den Zellen nebenan. Eine alte Dame will heute Morgen den Anführer der Wiedertäufer, Bernd Knipperdolling, gesehen haben. Sie behauptete er wäre gerade aus dem Käfig der Lambertikirche geklettert. Das wär's erst mal. Und bei dir?"

"In der Tat scheinen die Wiedertäufer in letzter Zeit wieder auferstanden zu sein", antwortete Roman, "jemand hat Heinrich Gresbeck, ziemlich unsanft vom Leben zum Tode befördert. Möglicherweise besteht da ein Zusammenhang."

"Oha", sagte Til überrascht, "Das sieht nach Arbeit aus."

"Stimmt, ich brauche deine Unterstützung. Ich muss erst mal mit dem Stadtrat (*Berufsbezeichnung?)sprechen."

Mit diesen Worten verließ Roman die Scharwache und machte sich auf den Weg. Er stieg die Holzstufen hinauf, bis er das dritte Stockwerk erreichte, ging den langen Gang an den imposanten Gemälden der Stadtväter vorbei, bis er das Zimmer des Stadtrates Wermerskirch erreichte. Auf sein Klopfen bekam er die Antwort einzutreten. Der Stadtrat, ein etwa 50-jähriger Mann, gut genährt, saß an seinem Arbeitstisch.

Wermerskirch blickte auf. "Ah, Roman, ich habe sie schon erwartet. Traurig, das mit Griesbeck, er hat viel für Münster getan, Kopf und Kragen riskiert, damals. Nicht jeder hätte den Mut gehabt, sich nachts an den Wachen vorbei über die Mauer zu schleichen. Erst aber mal das wichtigste. Soeben hat mich ein Gesandter des Bischofs besucht. Er fragte mich, wieso ein gewisser Scharwachtmeister den obersten Vertreter des Domkapitels unangemeldet aufsucht, um Fragen über einen ermordeten Bürger zu stellen."

Roman staunte nicht schlecht, als er das hörte. Der Bischof hatte zwar einen etwas ungeduldigen Eindruck gemacht und er, Roman, hatte das auf den Zeitdruck zurückgeführt, der auf dem Mann lastete, aber dass der sich hinter seinem Rücken beschwerte, damit hatte er nicht gerechnet.

"Ich wollte mich eigentlich nur über den Heinrich Gresbeck erkundigen, denn der Bischof scheint mir der einzige Mann zu sein der ihn besser kennengelernt hat. Mehr war da nicht."

Der Stadtrat schüttelte den Kopf. "Passen sie auf, wo sie hintreten, Roman, ich schätze sie und ihre Arbeit. Ich möchte sie nicht verlieren. Also was können sie mir sagen über den Tod von Gresbeck?"

"Nicht viel, Herr Wermerskirch, um genau zu sein, nichts. Kein Hinweis in seinem Haus, die Nachbarn wissen auch nichts. Er lag in seinem Blut, offensichtlich gewaltsam in den Tod befördert. Sein Brustkorb ist freigelegt, das Herz fehlt. Soweit ich es beurteilen konnte, kein Eingriff von jemand, der medizinische Kenntnisse hat. Ein Ritualmord scheint mir eher wahrscheinlich. Vielleicht auch ein Racheakt. Morgen werde ich mir in der Leichenhalle nähere Informationen holen."

"Hm", sagte Wermerskirch, "tun sie das, aber denken sie an die beiden Huren vom letzten Jahr, die waren auch übel zugerichtet. Den Mörder haben wir bisher noch nicht. Vielleicht gibt es da eine Verbindung und es läuft ein blutrünstiges Monster frei herum."

Roman wollte sich verabschieden, da fiel ihm noch etwas ein. "Noch etwas, Herr Wermerksirch, ich brauch die Unterstützung von Til Platschulte. Der ganze Vorfall sieht nach viel Arbeit aus."

Der Stadtrat überlegte. "Machen sie sich erst mal schlau, wenn sie eine Spur haben, können sie den Mann haben. Soviel ich weiß, ist Herr Platschulte mit den Bettlern und Hausierern beschäftigt, die in letzter Zeit Münster unsicher machen." Roman verabschiedete sich und verließ das Rathaus.



Kapitel 3

Indem Roamn eine Überraschung erlebt.



Der erste Verdacht



Das Verhör



Der Ausbruch



Rückblick



Kapitel 99

Das Ende.

Judas von Rotterdam hastete die Salzstraße entlang bis zum Prinzipalmarkt. Sie sollten ihn nicht erwischen, noch nicht, denn er hatte noch eine letzte Aufgabe zu erfüllen. Das hatte er sich vorgenommen. Durch den Lauf und die Anstrengung spürte er sein Herz heftig klopfen. Das wichtigste hatte er in einen Beutel gepackt. Das durfte es nicht verlieren, sonst war alles umsonst. Er lief zur Lambertikirche und öffnete die große Eingangstür. Um die Mittagszeit war die Kirche noch leer. Seine Schritte hallten auf dem leeren Gang wider. Nun hatte er keinen Zweifel mehr. Es war das Richtige, was er getan, dafür gekämpft und Opfer gebracht hatte. Langsam beruhigte sich sein Körper. Die Polizei war ihm auf den Fersen. Das wusste er. Die Mission musste zum Abschluss gebracht werden. Dann konnten sie ihn bestrafen. Er lief zur Turmtür und öffnete sie. Noch 298 Stufen, eine letzte Anstrengung, dann war es fast geschafft. Er musste es Ihnen sagen, damit ihre Seelen in der ewigen Allmacht Gottes in Ruhe und Frieden eingehen konnten.

Die 65 Meter nach oben konnte er gerade noch bewältigen. Die drei Glocken hingen an grob gehauenem Gebälk und machten aus der Nähe gesehen, einen gewaltigen Eindruck. Er lief unter den Antriebsrädern durch zu einer Leiter. Noch eine Leiter und noch eine dann hatte er sein Ziel erreicht. Den letzte Raum ganz oben. Darüber war nur noch der Kirchturm. Eine kleine Tür führte nach außen ins Freie. Dahinter war ein schmales Podest mit einem hüfthohen Zaun. Zum Lüften oder für die Handwerker gedacht, wenn mal Pause war. Die Aussicht auf Münster war einmalig, aber das interessierte ihn nicht. Jedenfalls war dieses Podest ideal für das was er vorhatte.

Er nahm den Beutel von der Schulter und holte den Inhalt raus. Dann sah er nach unten zu seinen drei geliebten Vorbildern, deren Leichen man in die Körben gesteckt hatte. Für ihn waren sie als Märtyrer gestorben. Er weinte. Endlich konnte er ihnen beweisen, dass sie nicht alleine waren in ihrem Schmerz und ihrer Wut. Das sie noch Anhänger hatten. Er streckte die Hand aus und rief: "Ihr Herren, ihr Könige des Täuferreichs, seht was ich euch gebracht habe. Ich habe euch gerächt. Ihr könnt jetzt in Ruhe eurem Frieden entgegensehen."

Dann plötzlich genau um 12:00 Uhr, läutete die erste der drei Glocken, die Lambertusglocke von 1493, eine Minute später die Marienglocke von 1493.

Von den gewaltigen Schlägen der Klöppel wurden die Glocken zum Läuten gebracht und gaben ihre Schwingungen an das Gebälk weiter, die den Turm erschüttern ließen. Judas mußte sich am Geländer festhalten. Eine Minute später läutete die letzte Glocke, die kleine Kataharienglocke von 1497. Jetzt wurde der Kirchturm mit jeden der Glockenschläge durchgeschüttelt. Judas musste sich am Geländer festhalten. Seine Hände waren von dem fast geronnen Blut des Herzens von Heinrich von Greeßbeck rot und glitschig geworden, Er konnte sich nicht mehr halten und flog, einen Schrei ausstoßend, kopfüber den hüfthohen Zaun in die Tiefe genau auf die drei Körbe zu.

Im mittleren Korb, der Leiche von Jan van Leiden, war ein Gitterstab in dem der Schmied, Berthold von Lüdinghausen, die Zeichen MCCCCCXXXV eingebrannt hatte. Er hatte wohl nachlässig gearbeitet, denn genau dieser Stab hatte sich von oben gelöst, so dass er wie eine Speerspitze nach oben ragte. Judas verfing sich mit seinen Kleidern in dem Gitterstab und wurde aufgespießt mit dem Gesicht zu Jan van Leiden. In der Hand hielt er immer noch das blutige Herz von Heinrich. In seinem Schmerz und dem Todeskampf schrie er: "Eure Eminenz, ich habe euch und die Wiedertäufer gerächt. Den restlichen Körper des Schreiners Heinrich von Gresbeck, habe ich verbrannt. Er soll nicht in geweihter Erde begraben werden. Seht, hier ist das Herz des Verräters." Mit diesen Worten lies der Judas das blutige Herz in den Korb fallen und verstarb mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.



Epilog



Anhang

Die Figuren der Handlung

Jan van Leiden, Bernd Krechting, Bernd Knipperdooling:
Wiedertäufer.
Heinrich von Gresbeck: Ein Münsteriander der sich um die Stadt verdient gemacht hat.
Franz Waldeck: Bürgermeister, Bischof von Münster
Roman Cadwallader: Scharwachmeister
Til Platschulte: Assistent Scharwachmeister
Wermerskirch: Stadtrat
Melchior: Medicus am Stadtkrankenhaus.
Der Roman spielt in Jahre 1542 in der Stadt Münster (Heutiges Westfalen)